Alentejo: Beruf oder Berufung – Hauptsache Wein

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Doch keine Frage der Größe im Alentejo

Tatsächlich, besuchte man jeden Tag einen neuen Winzer im Alentejo, wäre man ein ganzes Jahr glücklich beschäftigt. Diese Milchmädchen-Rechnung – ehrlicherweise die Gin-Tonic-Trinker-Rechnung vom Vorabend – lässt die Dienstreise geradezu als Akkordarbeit erscheinen. Immerhin haben wir mit Miguel und Luis Mouro als erstes eine familiäre Doppelverkostung auf dem Programm. Den Reigen der kleineren Weingüter, die wir besuchen, eröffnet also eine Vater-Sohn-Geschichte. Es geht nach Estremoz zur Quinta do Mouro und zur Adega do Monte Branco. Auf der Fahrt nach Norden arbeiten wir uns gesprächsweise an den beeindruckenden Hektar- und Flaschenzahlen ab, die uns begegnet sind. Sie zeigen, welche wirtschaftliche Bedeutung der Weinbau im Alentejo gewonnen hat.

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Für große Qualität bedarf es aber nicht zwangsläufig großer Zahlen. Diese Geschichte erzählt beispielsweise der Werdegang von Miguel Mouro, dem Vater. Er beginnt Ende der 1980er Jahre im ganz Kleinen seinen eigenen Wein zu machen. Die Weine sollen zeigen, was die Region ist und was sie kann, deshalb setzt er auf heimische Rebsorten wie Touriga Nacional oder Trincadeira ebenso wie auf Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Beharrlich und unbeirrbar folgt der noch praktizierende Zahnarzt dieser Idee bis heute. Mittlerweile stehen seine Weine in der ersten Reihe, wenn es um den Alentejo geht, und sein unverkennbarer Stil findet selbst am Douro Bewunderer.

Auf eigenen Füßen im eigenen Weinberg
Das beste, um aus dem Schatten eines solchen Vaters zu treten? Selber Wein machen! So denkt zumindest Luis Mouro und gründet 2004 mit der Adega do Monte Branco in unmittelbarer Nachbarschaft zum Herrn Papa den eigenen Betrieb. Rund 22 Hektar nennt er nun sein Eigen, eine eigene Weinlinie namens „Alento“ mit zwei Weiß-, einem Rosé- und zwei Rotweinen sowie dem Top Wein „Monte Branco“ haben die Adega bekannt gemacht. Vorab hatte der studierte Agrar-Ingenieur seine Expertise in Kalifornien und dem väterlichen Betrieb verfeinert. Seine besondere Liebe gilt den heimischen Rebsorten – „der Trincadeira gibt dem Wein eine so wunderbare Säure und Frische“ – sie will er in seinen Weinen in den Vordergrund rücken.

Gegenüber seinem Sohn ist Vater Miguel nicht ausschließlich auf den Wein angewiesen. Er kann länger warten, bis er seine Weine verkauft, er kann kritischer mit der Menge umgehen. Erklärt es sich so, dass die Quinta do Mouro mit 31 Hektar auf eine Jahresproduktion von 100.000 Flaschen kommt, die Adega do Monte Branco aus 22 Hektar aber fast 200.000 Flaschen herauskitzelt?

Wenn der Vater mit dem Sohne …
Wir lassen uns erneut vom Idyll der Landschaft einfangen: in naher Ferne das auf einem Hügel errichtete Estremoz, rund herum die Weinreben in voller Pracht. Zu lange halten wir es in der Sonne jedoch nicht aus und um so lieber treten wir in die Kühle des Verkostungsraums, dessen Ausblick auch nicht zu verachten ist.

Das Ballet der folgenden Weine ist wie ein Pas de Deux durch das Sortiment von Vater und Sohn. Uns soll es recht sein, wenn man den Generationenkonflikt mit feiner Säure und dezenter Frucht austrägt und tatsächlich lässt sich die unterschiedliche Stilistik bald treffsicher erschmecken. Salomonisch finden der Alento Branco des Juniors sowie der Vinha do Mouro Tinto des Seniors den Weg auf die Shortlist.

Monte Branco – Die Weine
Zunächst kommen die Weine von Monte Branco ins Glas und wir probieren uns durch die „Alento“-Reihe vom Sohnemann. Gekrönt wird die Probe durch seinen Top-Wein, dem Rotwein mit dem schlichten Namen „Monte Branco“. Allerdings bleibt dieser auch der einzige Rotwein, der uns vollends überzeugt, jedoch preislich nicht ganz angemessen erscheint. Mehr Vergnügen bereitet uns sein 2015er Alento Branco. Dieser Weiße ist für uns der perfekte Sommerwein. Mit schöner Frucht, guter Säure und einer nie anstrengend wirkenden Leichtfüßigkeit ausgestattet. Davon kann man einfach nicht genug haben. Ab auf die Shortlist!
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Quinta do Mouro – Die Weine
Hier kommen Weine ins Glas, die sofort etwas ernsthafter wirken als die des Sohnes. Es sind keine Weine zum „Nebenher-Trinken“, sondern verdienen sie ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Insbesondere versteht es Miguel Mouro  seinen Weinen einen gelungene Kombination aus ernsthafter Struktur und lebendiger Säure zu verleihen. Eine Tatsache, die insbesondere bei Rotweinen in dieser heißen Gegend wichtig ist. Anderenfalls ist man nach einem Glas Wein schlichtweg „satt“. Sein bereits wunderbar gereifter 2012er Vinha do Mouro Tinto ist ein wunderbares Positivbeispiel. Seine schöne Beerenfrucht wird durch einen guten Körper unterfüttert und sein Säurespiel verleiht dem Wein einen unbeschwerten Trinkfluss. Trincadeira, Aragonez (Tempranillo), Alicante Bouschet und Cabernet Sauvignon. Der muss mit!
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Wein machen aus lebhafter Überzeugung
Blut ist bekanntlich dicker als Wasser, aber auch Wein vermag eine Nähe zu stiften, die sich ganz schön dicke anfühlt. Ein nahezu begeisterndes und begeistertes Miteinander empfängt uns nämlich bei Fitapreta Vinhos. Zur Fitapreta Familie zählen António Maçanita, Sandra Sárria und irgendwie immer noch David Booth. Der brititische Wein-Consultant, der 2004 gemeinsam mit António Maçanita die Bodega Fitapreta gründet, verstarb 2012 mit nur 47 Jahren.

Die Intensität und Überzeugung, mit der Sandra und António von ihrer Art des Weinmachens erzählen, die fortlaufend sprudelnden Beschreibungen und Überlegungen, Vorhaben und Einsichten haben etwas ansteckendes. Noch bevor wir am Verkostungstisch sitzen, sind wir auf die Weine hoch gespannt – zumal wir einen Wein von António Maçanita bereits kennen. Der welterfahrene Weinmacher stammt nämlich von den Azoren und bei der Recherche zu dieser Dienstreise sind wir auf den Rosé Vulcanico von der Azoren-Insel Pico gestoßen, der es aus dem atlantischen Stand direkt zur Weinlakai Empfehlung geschafft hat.

Bei Fitapreta hat man Mut zur Eigenheit, einen Mut, der schon mit Auszeichnungen belohnt wurde. Alle Rotweine dürfen spontan vergären, bei den Weissweinen klappt das nicht immer. Natürlich wird auf den verstreuten, rund 21 Hektar nur per Hand geerntet. Auch jeder Jahrgang soll seine Eigenheit behalten und so bedarf es schon kontrollierter Zukäufe, um auf 300.000 Flaschen im Jahr zu kommen. Fitapreta gilt als eines der innovativsten Weingüter im Alentejo, das fortdauernde Bemühen um noch bessere – manchmal auch nur „andere“ – Weine stiftet dafür den Antrieb. Wenig verwunderlich, dass die Verkostung der Schaum- und Stilweine zu einem ausdauerndem Symposium über die Weinregion Alentejo wird. Denn bei Sandra, António und ihren Weinen kann man sich nur wohl fühlen. Ihr Fitapreta Tinto bereichert auf jeden Fall unsere Shortlist.

Fitapreta – Die Weine
Mit insgesamt 16 verschiedenen Weine sind wir bei der Verkostung ordentlich beschäftigt. Allerdings ist es auch ein spaßiges Unterfangen, denn die Weine sind alle ganz unterschiedliche Ausprägungen der Region. Von den Schaumweinen der „Sexy“-Serie über einen Roten aus der Amphore bis hin zu einem Wein aus der ungemein seltenen Rebsorte Baga: Wir spüren die Passion und Energie, die bei Fitapreta in die Weinherstellung gesteckt wird. Das ist sehr beeindruckend. Apropos: Der 2014er Fitapreta Tinto bietet für uns ein sagenhaftes Preis-/Genussverhältnis. Für etwas über 10 EUR liefert er eine wunderbare Aromatik mit einer leichten Eukalyptus-Note und einer sehr satten Struktur, die den Wein zu einem guten Essensbegleiter macht. Er besteht aus Aragonez (Tempranillo), 30% Trincadeira und 30% Alicante Bouschet. Wir nehmen ihn mit.


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Eine letzte Lektion
Nur zu gern hätten wir bei Fitapreta noch Stunden gesessen, aber wir müssen zurück nach Évora, wo wir zum Essen mit Paulo Laureano verabredet sind. Wir treffen uns in der „bl lounge“, was zur Philosophie von Paulo Laureano passt, der darauf hinweist, dass man im Alentejo Weine immer zum Essen trinke, seltener einfach so zum puren Vergnügen.

Das Philosophieren und Dozieren liegt ihm, denn Paulo Laureano ist ordentlicher Professor und erfolgreicher Wein-Consultant. Entsprechend bedacht ist er mit seinem „Projekt“ gestartet, das mittlerweile nicht mehr zu den kleinen gezählt werden kann. Obgleich erst seit zehn Jahren eigenständig, bewirtschaftet Paulo Laureano inzwischen 120 Hektar und kann stolz auf 2 Millionen Flaschen Jahresproduktion verweisen. Er habe die Region ja lange studiert, genau gewusst, welches Potential die Weine böten, so dass der Einstieg mit einem eigenen Weingut nur konsequent gewesen wäre, schlussfolgert der Professor.

Drei Weiß- und vier Rotweinen zählen zum Sortiment, die allesamt aus portugiesischen Rebsorten vinifiziert werden. Neben der üblichen Hatz nach dem perfekten Reifezeitpunkt, berichtet Paulo Laureano von seinem vorsichtigen Einsatz von Holzfässern. Nicht jedem Wein tue ein neues Fass gut, manche Weine benötigten nur den Start im Fass und kämen dann besser in Stahltanks zurecht, sogar mit Fässern, die nicht getoasted sondern lediglich mit heißem Wasser ausgestrahlt werden, arbeite er.

Beim Verkosten der Weine bekommen wir ein Gefühl für das Instrumentarium, das der Professor bespielt. Und sein Premium Vinhas Velhas Branco ist der nächste Kandidat für Shortlist und Blindverkostung.

Paulo Laureano – Die Weine
Die Weine von Paulo Laureano stammen aus der Sub-Region des Alentejo, Vidigal. Diese Gegend zeichnet sich insbesondere durch seine von Schiefer geprägten Böden aus. Diese Tatsache sorgt bei den Weinen für eine sehr spezielle Mineralität, die vor allem bei Weißweinen für einen steinigen Charakter sorgt. So beeindrucken uns zwar die teils monumentalen Rotweine sehr, doch findet der weiße 2015er Premium Vinhas Velhas Branco besonderen Anklang. Es ist ein wirklich vornehmer Weißwein, der mit typischen Schiefertönen und einer unglaublichen Eleganz aufwartet. Aber vor allem besitzt er auch eine gute Struktur, die ihn zum perfekten Begleiter von Fisch und Meeresfrüchten macht. So eine Art von Weißwein möchte man das ganze Jahr über trinken. Darum packen wir ihn auch auf unsere Shortlist.
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Zum Abschied verweilen wir noch ein wenig mit des Professors „Miguel María Laureano“, einem reinrebsortigen Alfrocheira von 2013. Es ist zugleich unser Abschiedstrunk im Alentejo, denn es geht bereits weiter über Porto an den Douro. Wir haben Castor in diesen Tagen lieben gelernt und freuen uns jetzt auf seinen Bruder Pollux.

Der Streckenverlauf des heutigen Tages:

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