Douro: Gegen den Strom zu neuen Weinen

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Alte und neue Entdeckungen an den Ufern des Douro

Zweifellos ist das Douro-Tal eines der landschaftlich schönsten Weinanbaugebiete der Welt. Wenn Weinreben bis an den ruhig daherziehenden Fluss reichen und darüber der azurfarbene Sommerhimmel leuchtet, dann wird jedes Innehalten zum Postkartenmotiv. Wir aber haben die Weinkarte der Region vor Augen und folgen dem simplen Plan uns flussaufwärts zu trinken. Ausgangspunkt der verkostenden Flussfahrt ist Peso da Régua. Die im Baixo Corgo, einer Subregion der Appellation Douro, gelegene Kleinstadt markiert die Stelle, bis zu welcher der Fluss bis Ende des 18. Jahrhunderts halbwegs sicher schiffbar war. Zu jener Zeit stand die Region noch ganz im Zeichen des Portweins, für den man die Grundweine herbeischaffte. Die Loslösung vom mit Brandy verstärkten Wein vollzieht die Region erst spät, zu groß waren wirtschaftliche Bedeutung und der damit verbundene Lebensunterhalt. So rief man erst 1979 die DOC Douro ins leben, um den Stillweinen eine eigene Herkunft zu geben. Die Portweine aus der geographisch deckungsgleichen Appellation nennen sich dagegen bis heute DOC Porto.

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Was wir heute mit den Weinen vom Douro verbinden, verdanken wir einer Bewegung, die Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre Weinmacher wie Dirk Niepoort und andere Douro Boys anstoßen. Sie vollziehen als erste die Loslösung von den großen Portwein-Unternehmen und beginnen auf alten Familien-Quintas und neu erworbenem Land ihre Weingüter aufzubauen. Unvermeidlich also, auch diese Pioniere der neuen Douro-Blüte zu treffen.

DSC05951Der Traubenflüsterer: Quinta de Tourais
Unser erster Besuch führt uns aber tatsächlich noch einmal flussabwärts, genau in die Beuge der Douro-Schleife vor Peso da Régua. Auf der Quinta de Tourais, einem Gutshof aus dem 17 Jahrhundert, sind wir mit Fernando Coelho verabredet. Seit 1998 macht er auf betont eigenwillige – nicht merkwürdige – Weise große Weine in kleiner Stückzahl. Sämtliche Rotweine „durchlaufen“ die Mazeration im Lagar, dem großen, flachen Granitbecken. Seine Weiss- und Rosé-Weinen verbringen diese Phase im Stahltank. Fernando Coelho outet sich schnell als Touriga Nacional-Fan. Er habe einen Weingarten mit 75 Jahre alten Reben, die lieferten eine unbeschreibliche Traubenqualität. Dabei kann er sich über mangelnde Auswahl nicht beklagen: in seinem Field Blend finden sich über 30 unterschiedliche Rebsorten wieder.

Der „gemischte Satz“, das ist ein Weingarten mit verschiedenen Rebsorten, herrscht auf den älteren Rebflächen der Quinta de Tourais noch vor, hingegen die neuen Weingärten und Nachpflanzungen rebsortenrein sind. Die Eleganz und Balance seiner Weine verlangt beste Trauben und so erlaubt sich  Fernando Coelho trotz überschaubarer acht Hektar den Luxus, Trauben, die ihm nicht passen, weiterzuverkaufen. Eine sympathische Geste mit dem fatalen Nachteil, dass wir keinen seiner Weine auf die Shortlist nehmen können – dafür fehlen einfach die verfügbaren Stückzahlen. Die Weine bleiben uns aber sicherlich nicht nur wegen der außergewöhnlich markanten Etiketten im Gedächtnis.

Quinta de Tourais – Die Weine
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Die erste Verkostung am Douro ist leider eine Enttäuschung. Allerdings nicht in Bezug auf die Weinqualität, die ist faszinierend gut, sondern aufgrund der Tatsache, dass der Mini-Produzent praktisch alle aktuellen Weine bereits verkaufen konnte. Restmengen helfen bei unserem Dienstreise-Unterfangen nicht wirklich weiter, zu viele Leser wären enttäuscht zu spät dran zu sein. Aber ich möchte mich nicht beklagen, denn die Folgejahrgänge kommen bestimmt und dann mache ich daraus einfach eine Einzelempfehlung. Der Spitzenkandidat für diese Zukunftsmusik ist sicherlich der 2015er Tourónio Tinto. Der ist nun leider noch nicht auf der Flasche. Wie auch die anderen Weine von Fernando Coelho überrascht der Tourónio durch eine wunderschöne Eleganz und Zurückhaltung. Er hat von allem etwas, aber in einer sehr moderaten Dosis: Nur einen sanften Holzeindruck, wunderbar weiche Tannine und eine Säure, die trinkanimierend wirkt, aber nie in den Vordergrund tritt. Ein Weinstilistik, die nicht häufig am Douro zu finden ist, denn hier entstehen viele körperreiche und fruchtgetriebene Weine. Das überraschende an diesen Weinen ist zudem, dass die mit den einfachsten Mitteln hergestellt werden. Es existiert keine ausgefeilte, moderne Kellertechnik. Nun heißt es abwarten bis der neue Jahrgang in der Flasche ruht und es bleibt zu hoffen, dass ich mindestens eine Palette der 5.000  Flaschen Mini-Produktion ergattern kann. Damit ist der Tourónio übrigens der Wein mit der größten Produktionsmenge bei Tourais!

 


Quinta do Vallado: eine Douro-Dynastie
Auf der Quinta do Vallado begegnen wir zum ersten Mal Dona Antónia Adelaide Ferreira – leider nicht persönlich, denn die große Dame des Portwein-Business starb bereits 1896. Jedoch war die Quinta do Vallado eine von rund 30 Quintas, die Dona Antónia Adelaide Ferreira zu ihrem Besitz zählte. Wein- und Portwein machen hier heute mit João Ferreira Álvares Ribeiro, Francisco Ferreira und Francisco Olazabal ihre direkten Nachfahren. Etwa 70 Hektar zählt das Weingut beiderseits des Corgo, eines Zuflusses des Douro, darunter die ältesten Weingärten der Region. Dort stehen 30 bis 40 unterschiedliche Rebsorten eng beieinander, was wenig Ertrag, aber hohe Konzentration für den gemischten Satz oder Field Blend bedeutet. Die Fahrt hoch auf den Weinberg über der Quinta ist ein durchschüttelndes Erlebnis, doch die Muße des Moments, dort zu stehen und zu schauen, ist selig.

DSC05741Eine neue, im wesentlichen mit Schwerkraft arbeitende Kellerei, hat der Weinproduktion noch einmal einen Qualitätsschub gegeben. Das heißt aber nicht, dass man für die Port- und Rotweine auf die traditionelle Mazeration im Lagar verzichtet. Doch die Kapazität macht deutlich, welche Entwicklung die Quinta do Vallado genommen hat. Startete die Familie mit einer Jahresproduktion von knapp 100.000 Flaschen, stellte man im vergangenen Jahr rund eine Million Flaschen her. Beim Rundgang durch die teilweise in den Berg hineingebaute Kellerei, verschnaufen wir ein wenig im unterirdischen Fasskeller, der angesichts der Außentemperaturen auch für uns ein Temperaturoptimum bietet. Die Verkostung selbst findet im Labor der Quinta statt und beschert uns wunderbare Weine mit ausdrucksstarker Frucht und überraschender Frische. Aus dem Labor nehmen wir den Vallado Touriga Nacional Rosé direkt mit für die Shortlist.

Quinta do Vallado – Die Weine
Bei der umfangreichen Verkostung durften wir insgesamt 10 Weine probieren – inklusive zweier Tawny Ports (20 und 40 Jahre alt). Zudem kam ein Kuriosum ins Glas: Der 2013er Reserva Field Blend von Vallado besteht aus circa 40 Rebsorten, die alle kreuz und quer auf einem alten Weinberg zusammen stehen. Ein interessantes „Gemisch“, das im Übrigen auch fünf weiße Rebsorten enthält. Doch die eigentliche Positiv-Überraschnung war der aus 100% Touriga Nacional bestehende 2015 Quinta do Vallado Rosé. Der Wein verfügt über eine sehr eigene, von der Rebsorte herrührenden Frucht-Charakteristik und eine tolle Kombination aus Mineralität und Frische. Ein Rosé, den man bestens „solo“ genießen kann, der aber auch mit Gegrilltem bestens zurecht kommt. Vor allem natürlich mit Dingen aus dem Meer. So ist der erste Wein, den wir vom Douro für unsere Shortlist nominieren, ein rosafarbener. Wer hätte das gedacht?
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Schäferidyll mit Steillage: Quinta de Santa Eufémia
Wir wechseln die Flussseite und die Rahmenbedingungen des Weinmachens. Die Quinta de Santa Eufémia in Parada do Obispo liegt neben einer Wallfahrtskirche für die Schutzpatronin der Schäfer, der Heiligen Eufémia. Seit vier Generationen machen die Carvalhos an diesem Ort Wein, mittlerweile 100.000 Flaschen pro Jahr. Zu einem Drittel ist es Portwein, der insbesondere im Export eine große Rolle spielt, zu zwei Dritteln Rot- und Weißwein. Im Weingut arbeiten die Cousins und Cousinen Hand in Hand. Bernardo Carvalho kümmert sich um den Export, eine Schwester ist für Besuchergruppen und den Verkauf vor Ort zuständig, eine weitere ist Önologin.

DSC05936Die Rebflächen beginnen direkt hinter der Kellerei, hier findet sich ebenfalls in den älteren Parzellen noch der gemischte Satz. Dort, wo die Olivenbäume stünden, da sei es für den Wein(arbeiter) zu steil. Die alte Kellerei hat die Familie von Grund auf renoviert und aufwändig isoliert, um den hohen Außentemperaturen Stand zu halten. Die beiden Lagares sind jedoch immer noch die alten und insbesondere für die Portweinherstellung unerlässlich. Vorbei an einer englischen Besuchergruppe schleichen wir zurück in den Verkostungsraum neben dem Ladengeschäft. Und weil uns hier vor allem der frisch abgefüllte Late Bottled Vintage aus 2011 gefällt, nehmen wir von der Quinta de Santa Eufémia ausnahmsweise einen Portwein für die Shortlist mit.

Quinta de Santa Eufémia – Die Weine
Ganz ehrlich gesagt haben uns hier die Einstiegsweine nicht wirklich überzeugen können. Sie wirkten unharmonisch und teils auch durch ihren Alkoholeindruck dominiert. Besser gefiel uns dann der 2012er Eirados Reserva, der mehrere Monate im Fass verbrachte und davon sehr profitierte. Ein ausgewogener, ganz typischer Douro-Wein, der zwar körperreich daherkommt, aber dennoch nicht zu fett wirkt. Eine gut Sache. Doch dann präsentierte man uns noch den frisch auf die Flasche gefüllten 2011er Late Bottled Vintage Port. Und da wurde dann klar, wo die eigentlichen Stärken der Quinta de Santa Eufémia liegen. Wunderbar konzentriert und mit komplexer Aromatik, aber weder geraten die 19% Alc. Vol. zu sehr in den Vordergrund, noch wirkt der Wein übermäßig süß. Das für einen Preis von unter 20 Euro ist außergewöhnlich gut. Ab auf die Shortlist damit.

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Kellerkind & Lichtgestalt: Niepoort
Nahe der Kirche Santa Eufémia stoßen wir auf einen großen Grenzstein. Solche „marcos pombalinos“ markieren seit 1756 das Weinanbaugebiet, weshalb sich der Douro auch als erste offizielle Appellation der Weingeschichte versteht. Wir werden auf der Quinta do Crasto ein weiteres Exemplar sehen, aber zuerst geht es zur – zumindest aus deutscher Weinsicht – Lichtgestalt des Douro: nächster Stop Quinta do Nápoles und Dirk van der Niepoort. Keine Name wird öfter genannt, wenn es um die Rotweine vom Douro geht, er gilt als der primus inter pares der Douro Boys. Und der Erfolg seiner Weine kann dies nur unterstreichen.

Noch kurz vor Antritt unserer Dienstreise geisterte die Meldung durch die Presse, Dirk Niepoort steige aus dem Familienbetrieb am Douro aus und mache jetzt ein ganz eigenes Projekt – vielleicht sogar an der Mosel.  Aber nur wenige Tage später kam ein Dementi, weshalb es ganz selbstverständlich ist, dass wir ihn auf der Quinta de Nápoles antreffen. Viel neues, anderes kann man über Dirk Niepoort gar nicht mehr berichten, aber es lohnt sich, die stille Eminenz zu erleben.

IMG_4346Seine Familie kommt aus dem Portwein-Handel, was der holländische Nachname bereits andeutet, sowie der Portweinherstellung. Das neue Weinkapitel der Niepoorts beginnt Ende der 1980er Jahre mit dem Erwerb eigener Quintas und dem Ausbau von Rotwein – ohne die Portweine zu vernachlässigen. Zielstrebig verfolgt das Familienunternehmen den Kurs von Innovation und Professionalisierung, ohne bis heute damit zu brechen. Niepoort zählt zu den ersten, die 2011 Bio-zertifizierte Weine anbieten und seit 2014 sind die ersten biodynamischen Weine im Sortiment. Die Jahresproduktion geht in die Millionen Flaschen – der große, neue Keller will bespielt sein. Durch eben diesen führt uns Önologe Carlos Reposo mit portugiesischer Langmut, bevor es zur Verkostung geht.

Niepoort Vinhos – Die Weine
Bei Niepoort trinken wir uns von Flasche zu Flasche und von Fass zu Fass. Es fühlt sich an als hätten wir wirklich aus jedem Behältnis des Weingutes probiert. Wahrscheinlich ist dies zwar weit gefehlt, doch fasziniert uns das vielschichtige Angebot doch sehr. Was uns dann doch überrascht ist, dass wir an einem Wein „hängenbleiben“, der eigentlich gar keine weitere Erklärung mehr braucht, da er bereits in Deutschland große Popularität genießt: Der 2014er Niepoort Fabelhaft bietet einfach ein sensationell gutes Preis-/Genussverhältnis und darum geht uns schließlich bei der Dienstreise vorrangig. Daher haben wir keinerlei schlechtes Gewissen diesen Wein für unsere Shortlist zu nominieren.
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Mittlerweile sind wir von der Subregion Baixo Corgo in den Cima Corgo gewechselt. Jetzt bewegen wir uns spürbar flussaufwärts und die Streubreite der besuchten Quintas wird größer. Macht nichts bei einer Dienstreise durch so eine Landschaft.

 

Der Streckenverlauf des heutigen Tages:

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