Zu Gast im Amador!

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Bereits mit 26 Jahren erkochte sich Juan Amador seinen ersten Michelin-Stern. Seitdem sind 15 Jahre vergangen und mit dem „Amador“ besitzt der Deutsche mit spanischen Wurzeln seit 2005 in dem hessischen Örtchen Langen einen wahren Gourmet-Tempel. 2007 wurde das Restaurant erstmals mit 3 Sternen dekoriert, in 2008 findet diese Höchstbewertung im aktuellen Guide Michelin Bestätigung. Eine Auszeichnung, die nur noch acht weiteren Restaurants in Deutschland zu Teil wird. Das kulinarische Konzept von Juan Amador wurde durch Ferran Adria und das El Bulli inspiriert. Wenn man wie ich letzteres Restaurant bereits kennt, lässt es sich nicht vermeiden einen Vergleich zu ziehen.

Für jeden Deutschen besitzt das Amador bereits auf Anhieb einen großen Vorteil gegenüber dem El Bulli: es liegt nicht versteckt hinter irgendeinem Hügel in der Nähe von Barcelona. Das hessische Provinzdörfchen Langen befindet sich zwar auch nicht im pulsierenden Zentrum einer Metropole, doch zumindest lässt es sich ohne größere Umstände erreichen und liegt zudem sehr nah an Frankfurt (am Main).

Wer dennoch eine etwas längere Anreise hat, kann sich für 650,- EUR die Nacht in der „Amador Suite“ einquartieren. Dieses traumhaft eingerichtete Loft in einem Industriegebiet in Frankfurt bietet Besuchern auf Wunsch eine Herberge – falls gewünscht samt des Transfers zum Restaurant im edlen Maserati. Natürlich auch als Arrangement inkl. des großen Menüs im Amador zu buchen. Für 2 Personen kostet der Spaß 1.298,- EUR. Das ist doch mal eine Geschenkidee für gelangweilte Manager-Frauen.

Aber zurück zur Anreise: Kommt man als gebürtiger Hesse in dieses hübsche Örtchen namens Langen baut sich unweigerlich ein Verlangen nach Äbbelwoi und Krümmelkuche auf – dass sich hier ein 3-Sterne-Restaurant befindet mutet etwas surreal an. So liegt das Amador dann auch recht unscheinbar an der Hauptstraße von Langen. Erst nach Betreten des Innenhofs und spätetens im Interoir wird klar, dass man hier nicht auf Holzbänken sitzt und aus „Gerippten“ trinkt. Die stilvoll moderne Einrichtung ist angenehm und gibt nicht das Gefühl von übertriebenem Getue.

Zur Bewertung des Einrichtungsgeschmacks von Herrn Amador bin ich aber sowieso nicht hier. Mich interessiert viel mehr was hier auf die Teller kommt. Die regelmäßigem Vergleiche mit dem El Bulli gehen dem Küchenchef mit Recht etwas auf die Nerven und ich möchte die Eindrücke so unvoreingenommen wie möglich aufnehmen. Trotzdem frage ich Juan Amador, was sein Restaurant nicht zum „Me-Too“ macht.

Ganz grundsätzlich hinkt der Vergleich mit dem El Bulli für Juan Amador. Kein zweites Restaurant auf der Welt kann es sich leisten so viel Küchen- und Servicepersonal zu beschäftigen und sich dann auch noch den Luxus gönnen 6 Monate im Jahr zu schließen, um über neue Kreationen nachzudenken. Aufgrund dieser Tatsache befände sich das El Bulli in einer ganz eigenen Liga, so Amador.

Auf die Frage hin, was aus seiner Sicht denn der Hauptdifferenzierungspunkt des Amador sei, erklärt er, dass in seinem Restaurant mehr Fokus auf den „echten“ Zutaten und deren intensiven Geschmack läge.

Diese Behauptung kann ich nur zum Teil bestätigen. Es ist wahr, dass man im Amador die meiste Zeit sehr genau erkennen kann, was man auf dem Teller hat. Das „Verwirrspiel“

eines El Bulli gibt es nur zeitweise als gut dosierte Effekte. Jedoch kann ich nicht sagen, dass auch der Intensität der natürlichen Aromen höhere Aufmerksamkeit gewidment wird.

Hier ist das El Bulli aus meiner Sicht unerreicht. Auch wenn viele Dinge nicht so aussehen, wie man sie erwartet, so wurde man im El Bulli immer wieder durch die Urgewalt von Aromen aufs positiveste überrascht. Dabei hatte man nie das Gefühl, dass diese artifiziell sind – und das sind sie natürlich auch nicht.

Hieraus resultiert für mich auch die einzige Kritik am Amador. Die „molekularen Effekte“ a la El Bulli bringen in einigen Fällen keinen echten Mehrwert. Entweder weil sie nicht so gut umgesetzt wurden (siehe „Langener Austern“) oder weil die Geschmacksintensität auf der Strecke bleibt (siehe „Virtueller Spargel“). Das ist gefährlich, denn so wird aus diesen faszinierenden Spielereien schnell pure Effekthascherei, die bei den zahlreichen Kritikern der Molekularküche offene Türen einrennt.

Doch in Anbetracht der Gesamtleistung dieses Restaurants, wiegt diese Kritik nicht zu schwer und vielleicht gelingt es ja in Zukunft eine noch individuellere Indentität zu entwickeln.

Nun aber zum Wesentlichen, der ausführlichen Beschreibung meines Aufenthalts. Meine Begleitung und ich entschieden uns für das große Menü und die spanische „Weinreise“.

Nein, dies war nicht der erste Gang, sondern ein feuchtes Tuch für die Handhygiene. Leider zu spät fotografiert, denn Ausgangspunkt war eine kleine Tablette mit der Aufschrift „Magic“, die dann mit Wasser übergossen wurde und sich in Windeseile aufplusterte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Cava zum Start. Schöne Apfel- und Toastaromen, aber insgesamt ein recht herber Vertreter seiner Spezie. Hätte mir als Auftakt etwas Gefälligeres gewünscht.

 

 

Echte Nüsse, echte Oliven. Hiermit wurde die Abgrenzung zu El Bulli bereits deutlich.

 

 

 

 

 

 

Ein frischer Bellini auf Riesling-Basis mit Pfirsich-Mark. Lecker.

 

 

 

Die Menükarte wurde in einem wachsversiegeltem Kuver gereicht.

 

 

 

 

„Cabrales / Quitte / Joghurt“: Diese aufgespießten Baisers hatten einen leicht käsigen Geschmack, der sich gut mit der Quittenmarmelade aus der Tube vertrug.

 

 

 

„Sardelle / Birne / Meerrettich“: Sehr ausgefallene Darreichungsform an einem Spieß. Dieser Happen war schön knusprig, schmeckte sehr intensiv und wechselte von Süß auf Salzig. Bin kein Sardellen-Fan, aber das war wirklich gut.

 

 

 

„Chorizo Dehydriert /Eukalyptushonig / Minze“: Dieser an Speck-Chips erinnernde Gang war wiederum süßlich-salzig und sehr rauchig im Geschmack. Der Eukalyptushonig und die Minze konnten nur wenig durchdringen.

 

 

 

„Entenleber / Rote Beete“: Oben ein Entenleber-Eis mit Überraschungseffekt. Es „explodierte“ im Mund und versetzte so meinen kompletten Schädel in Vibration. Mich erinnerte der Effekt an dieses Kaugummi in den blauen Tütchen. Der Geschmack des Eis war toll, die rote Beete war mir etwas zu essiglastig.

 

 

 

„Strammer Max 2009“: Eine schöne Neu-Interpretation des hessischen Urgerichts. In dem knusprigen Brot-Ersatz war ein Wachtelei zu finden und das Reagenzglas hielt eine rauchige Speckessenz bereit.

 

 

 

„Langener Austern“: Das nach Austern schmeckende Blatt kannte ich schon aus dem El Bulli. Die Amador-Version gefiel mir nicht so gut, da durch den intensiv schmeckenden Gurkenschaum und das Käsegitter der feine Austerngeschmack der Blätter überdeckt wurde. So blieb der eigentliche Effekt auf der Strecke.

 

 

 

„Lammnacken / Rauch / Rhabarber“: Das Fleisch kam unter einer Haube mit Rauch und cocoon-artigen Rhabarber-Streifen. Das Fleisch war großartig, der Rauchgeschmack passte bestens und der Rhabarber brachte eine passende Säure ins Spiel.

 

 

 

Der erste Wein unserer „Weinreise“. Sehr intensives Aprikosen- und Pfirsicharoma in der Nase. Rauchig und kräftig am Gaumen mit schöner Kompelxität und Länge.

 

 

 

„Geeiste Gazpacho mit marinierter bretonischer Sardine & Oro de Andalucia“: Sehr intensives Gazpacho mit Eindruck von Umami und eine sehr frische und aromatische Sardine. Es lebe Spanien!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ging toll weiter: Würzig, leicht pilzig in der Nase mit deutlichen Stachelbeer-Anklängen und Jasmin. Am Gaumen setzt sich Jasmin fort, zudem ein wenig „Blendi“. Kräftiger und langer Abgang.

 

 

 

Vor dem nächsten Gang gab es eine Pipette mit Langostini-Essenz. Diese aromatisierte und warme Sahne schmeckte herrlich.

 

 

 

„Virtueller Spargel mit Kaisergranat & Senf“: Der virtuelle Spargel war eher enttäuschend. Etwas virtuell nachzuformen macht für mich nur dann Sinn, wenn man dadurch das Original besser oder interessanter darstellen kann. Hier war zwar der Look gelungen, doch schmeckte der Spargel weniger intensiv als echter Spargel und hatte zudem noch einen seltsamen Fremdgeschmack. Wenn so etwas passiert ist für mich jedes Vorurteil gegenüber molekularer Küche gerechtfertigt.

 

 

 

Der weisse Muga war sehr steinig-mineralisch in der Nase und erinnerte mich an ein Fruchtzwerg-Joghurt der Sorte Pfirsich. Am Gaumen sehr cremig mit zusätzlichen Birnen-, Zitrus- und Nusseindrücken.

 

 

 

„Rouget Barbet mit Spinat, Passionsfrucht & Cafe“: Sehr feiner Fisch mit einer harmonischen Aromenzusammenstellung. Enorm lecker.

 

 

 

Typische Chardonnay-Nase, aber auch leichte Botrytis-Anklänge. Sehr weich und cremig mit Karamel und Birne am Gaumen.

 

 

 

„Seezunge mit Périgord-Trüffel, Topinambur & Kalbsbries“: Ein genial zubereiteter Fisch mit schön gewählter Beilage und Trüffel. Kalbsbries ist einfach nicht mein Fall, schon gar nicht in Kombination mit Fisch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu einem spontan eingeschobenen Zwischengang (Foie Gras) gredenzt die Sommelier spontan einen Albariño. Der Geruch erinnert mich ein wenig an Schwimmbad, aber auch an Birne, Apfel, Karamell und Kuchen. Ein wirklich schöner Wein, doch wäre mir zu dem Foie Gras ein Süßwein lieber gewesen, auch wenn dies etwas „außer der Reihe“ gewesen wäre. Doch möchte ich festhalten: Selten habe ich an einem einzigen Abend soviele gute Weissweine getrunken. Chapeau!

 

 

 

Die gebratene Gänsestopfleber war einfach genial. Nur selten hat man die Möglichkeit so etwas zu essen. Wenn es dann passiert, muss man einfach nur genießen.

 

 

 

Los ging es mit den Roten: Der „Canoblau“ gab sich etwas muffig-erdig mit kräftigen Kirscharomen. Als ersten Rotwein nach dem Weisswein-Flight hätte ich mir etwas frischeres und klareres gewünscht.

 

 

 

„Mieral-Taube mit Sellerie, grünem Apfel & Walnuss“: Wie man sieht, handelte es sich um eine auf den Punkt gebratene Taube. Der Geschmack war großartig und wurde durch die herrliche Soße unterstrichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Appetizer zum nächsten Gang gab es Tartar vom Kobe-Rind, umhüllt von 30 Jahre gereiftem Schinken. Durch letzteren, großartigen Schinken wurde das Kobe-Tartar allerdings völlig überlagert.

 

 

 

Der „Geol“ besteht aus Cabernet Sauvignon und Merlot und überzeugt durch intensive Kirsch- und Gewürznoten. Am Gaumen neben den roten Früchten Anklänge von Amaretto und ein tanninreicher, langer Abgang. Sehr schön zum folgenden Fleisch.

 

 

 

„Kobe / Tokyo / Leon mit Soubisse, schwarzem Knoblauch & Soja“: Ein unglaublich saftiges Entrecote mit schöner, japanisch anmutunder Aromakomposition. Allein das Kobe-Fleisch war zum Daniederknien.

 

 

Zum Dessert ein Muscat mit sehr komplexer Aromatik, die durch Rhabarber und Stachelbeeren dominiert wird. Ein wunderschöner Abschluss der spanischen „Weinreise“. Auch bei den Rotweinen hatte die Sommelier eine ausgezeichnete Auswahl präsentiert.

Die Desserts genoss ich nur noch auszugsweise, denn ich war bereits übersatt.

„Piña Colada 2009 aus drei Blickwinkeln betrachtet“: Obenstehend der erste Teil als gefrorene, sehr frische Variante mit kandierten Ananasstücken. Sehr lecker.

 

 

 

Für den zweiten Teil wurde Kokosmilch mit Hilfe von Stickstoff in eine kugelartige Form gebracht. Spektakulär präsentiert.

 

 

 

Die Kugel wurde anschließend auf einem Löffel mit weißem Rum (!?) platziert. Ob das würfelförmige Gebilde die Ananas-Komponente bot, kann ich nicht mehr erinnern… wohl doch zu viel Wein?

 

 

 

Der 3. Teil der Piña Colada war eine geeiste Ananas-Cannelloni mit „Rumluft“ (auf der rechten Seite). Die Cannelloni war sehr frisch und mit einer Art „Pritzeleffekt“ versehen. Die „Rumluft“ komplettierte den Piña-Colada-Eindruck.

 

 

 

 

„Gin Tonic 2009“: Bestand zum einen aus geleeartigen Eier, die mit einer nach Gin schmeckenden Flüssigkeit gefüllt waren, zum anderen aus einem herrlich nach Limonen schmeckendem Sorbet zum Löffeln. Herrlich erfrischend.

 

 

 

 

 

„Baumwolle / Passionsfrucht“: Ja, dies sieht nicht nur aus wie Zuckerwatte, es ist Zuckerwatte. Allerdings mit wunderbarem Passionsfrucht-Aroma. Sollte demnächst jedem Kirmesplatz-Besucher gereicht werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Weine im Überblick. Die Recherche der günstigsten Einkaufsquellen überlasse ich ausnahmsweise meinen Lesern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Noch ein Wort zu den Kosten: Das kleine Menü inkl. dem Pina Colada Dessert kostet 139,- EUR. Das große Menü inkl. noch acht weiterer Nachspeisen kostet 209,- EUR. Die spanische Weinreise kostete 64,- EUR.

 

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