Rieslingvertikale: 11 Jahre Kellers G-Max

1

Mit dem Jahrgang 2001 hat Klaus Peter Keller in der 9. Generation das Zepter im familiären Weingut übernommen. Familiensinn, eine Verbundenheit mit der heimischen Scholle und das stete Streben, besondere Weine zu erzeugen, prägten und prägen das Denken und Handeln der Winzerfamilie Keller. Die Keimzelle des Erfolgs liegt sicherlich im Hubacker, heute eine der bedeutendsten Lagen in Rheinhessen.

IMG_8555Unter Georg III, der fünften Keller-Generation, wandelte sich der «Hausberg» der Familie Keller in den heutigen sanften Südost- Hang. Bis in die 1930er Jahre war der Hubacker ein Terrassenweinberg, auf dem es auch Buschwerk und offenen Felsen gab. Friedrich Heinrich, der Sohn von Georg III, machte in zwei Jahren die felsigen Abschnitte als Weinberg urbar, indem er schwere Felsbrocken sprengte und die Terrassen einebnete. In Erinnerung und Anerkennung dieser Entscheidung hat Klaus Keller, der Vater von Klaus Peter, Ende der 90er Jahre den «G» als Hommage an die Ur-Großväter auf die Flasche gebracht.

Der G-Max ist heute quasi der Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft im Hause Keller, denn das «Max» im G-Max steht nicht – wie viele immer wieder vermuten – für «Maximum» oder «maximal », sondern es steht für den Namen des zweiten Sohns von Julia und Klaus Peter Keller, Maximilian. Daher macht auch der häufig angestrengte Vergleich mit dem «Unendlich» von F. X. Pichler aus der Wachau keinen Sinn, denn schon die Ansätze sind völlig unterschiedlich. Während F. X. Pichler mit dem Unendlich die Idee verfolgt, das Maximum von Terroir und Rebsorte auszureizen, ist für Klaus Peter Keller ein Höchstmaß an Eleganz und Trinkfreude das erklärte Ziel.

Hinzu kommt, dass niemand so genau weiß, aus welcher Lage der G-Max stammt. Mit recht großer Wahrscheinlichkeit würde er die Krone der Großen Gewächse aus dem Hause Keller beanspruchen, doch dazu müsste der G-Max seine genaue Herkunft auf dem Etikett zur Schau stellen, und da er sich zu diesem Thema lieber in einen Mantel des Schweigens hüllt, begnügt sich der G-Max damit, ein «einfacher» Qualitätswein zu sein.

Meiner privaten Einladung in Hamburg zur gemeinsamen Verkostung aller bisherigen elf G-Max-Jahrgänge (2001–2011) folgte nicht nur Klaus Peter Keller, sondern auch eine bunte Mischung aus zwölf weiteren Weinliebhabern, Sommeliers, Weinhändlern und Fachjournalisten. Gemeinsam haben wir fünf Stunden an einem Tisch bei Wasser, Brot, Butter und G-Max verbracht, verkostet und philosophiert. Alle Weine wurden 18 Stunden vor Beginn der Probe geöffnet und in der Flasche belüftet. Verkostungsglas: Bordeauxglas von Zalto.

Klammer des Erlebten ist die intensive Kraft, innere Spannung und die in allen Jahrgängen wahrgenommene Frische und Lebendigkeit des G-Max – die vom Kalkstein geprägte Mineralik ist wohl der Ausgangspunkt dafür. Die Säure ist stets bestens integriert und die klare und präzise Definition des G-Max ist Jahrgang für Jahrgang überzeugend; selbst in einem Hitzejahre wie z. B. 2003 ist dies formidabel gelungen. Ein Vergleich mit den austrainierten Körpern eines Balletttänzers oder einer Primaballerina erscheint mir nicht abwegig.

IMG_8558
Die geladenen Gäste bei der „Arbeit“

Der Genuss von Wein und der Besuch eines Ballets bergen für mich grundsätzlich eine Gemeinsamkeit. Wenn der Wein groß ist oder das Pas de deux perfekt und voller Anmut getanzt wird, möchte ich diesen Moment festhalten – ich empfinde dann eine innere Beruhigung und Stille. Etwas anders formuliert es Terry Theise in seinem aktuellen und lesenswerten Buch «Mein Wein – Das Plädoyer gegen den globalen Einheitswein »: «Viele Weine, selbst gute, lassen Dich Lärm schmecken. Aber nur die allerbesten geben Dir Stille zu kosten.» Ich habe an diesem Nachmittag Stille verkostet.

 

2011 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Zu Beginn in der Nase Noten der spontanen Vergärung, mit mehr Luft im Glas wird die Aromatik klarer und baut dynamisch aus – tabakige, kräuterwürzige Anklänge, frische, nicht vollreife Weinbergpfirsiche, Noten von rotbackigen Äpfeln, Limetten. Herrlicher Biss, Phenole, viel kalkige Mineralik, mit kühlem Ansatz und kraftvollem Zug. Der Wein steht herrlich lang am Gaumen – zzzh. Weglegen!

19/20 2016–2035

2010 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Kühlster Jahrgang bislang; Klaus Peter Keller meint: «Dieser Jahrgang war wie Niedrigtemperaturgaren. » Äußerst fokussiert und präzise; Mandarinen, Kumquats, tiefe, tabakige Mineralität, getrocknete Kräuter, weiße Johannisbeeren, nasser Stein, ein Duft wie bei einer Alpenwanderung nacheinem heftigen Gewitterregen. Mit der Rasierklinge gezogene Ecken und Kanten, der Griff in die Steckdose; wer da nicht elektrisiert ist, ist wahrscheinlich tot. Großer Stoff! Unbedingt dekantieren, besser erst am zweiten Tag trinken.

19+/20 2016–2040

2009 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Tiefe, kräuterwürzige Nase, nasser Kalksteingeruch, rotbackige Äpfel, Currykraut; über allem liegt eine zarte Meeresbrise mit Eindrücken von Muscheln und Jod – man atmet tief ein, um diese Frische nicht vorbeiziehen zu lassen. Am Gaumen verbindet sich ein dezenter Eindruck von Extraktsüße mit einem hauchzarten Schmelz. Doch die erste Geige gebührt klar der tiefen Mineralität. Mit viel Spannung drückt sie sich an den Gaumen. Der etwas wärmere Jahrgang offenbart sich dann mit einer Saftigkeit und einer komplexen Fruchtigkeit von gelben Früchten und Steinobst und einem langen fruchtig-mineralischen Abgang. Jugendliche Schönheit mit viel Ausstrahlung. Vor aktuellem Genuss bitte dekantieren.

18+/20 2015–2030

2008 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Von den anderen Jahrgängen etwas abweichendes Aromenprofil. Bienenwachs, gelbe Blüten, Zitronenverbene, getrocknete Kräuter, Limetten. Am Gaumen etwas rauer als in anderen Jahrgängen, sehr tief, leicht phenolige Noten (etwas adstringierend), dezent vegetabile Noten, braucht viel Luft, hat Zug und Grip, pikante Säure, feine Bittertöne, britische Orangenmarmelade. Im Abgang ein klein wenig austrocknend. Der Wein wurde 48 Stunden auf den Rappen vergoren, um auf natürliche Art und Weise die für den Jahrgang typische erhöhte Säure abzupuffern. Macht müde Männer munter (und beschäftigt sie den Rest des Abends). Dekantieren!

19/20 2015–2030

2007 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Der 2007er Jahrgang offeriert einen Hauch von Wachs, doch schnell drängt sich die hochfeine, tabakige und kräuterwürzige Mineralität in den Vordergrund. Bereits in der Nase legt der Wein ein klares Bekenntnis zu seiner Kalksteinherkunft ab; gelbe Blüten, Mandarine und Limone. Perfekte Säure, kraftvoll, aber ohne jede Schwere, glockenklar, mit tiefer Mineralität. Nach drei Tagen die geöffnete Flasche rückverkostet: Immer noch ein Ausbund an Frische und bestechender Klarheit, tiefer Mineralik und herrlicher Länge – die Hand geht in kurzen Abständen zum Glas. Kann angetrunken werden, sofern ausreichend dekantiert.

18/20 trinken –2025

2006 Riesling G-Max, Weingut Keller:

In weiten Teilen Deutschlands ein schwieriger Jahrgang mit einer Kombination aus Feuchte und Wärme. Aber auch in schwierige Jahren zeigt diese G-Max-Parzelle, was in ihr steckt. Der 2006er G-Max ist in dieser vertikalen Verkostung der Jahrgang, bei dem die Frucht am stärksten zum Ausdruck kommt: exotische Früchte, Kaki, Ananas, gelbe Kirschen. Am Gaumen viel Saft und Kraft, aber auch hier drückt die Mineralik des kalkigen Bodens sich Stück für Stück durch und im Abgang dominiert sie mit ihrer deutlichen Würze und Salzigkeit. Auch der 2006er G-Max steht am dritten Tag wunderbar im Glas und ist immer noch fest und lebendig. Die Nase zeigt Eindrücke von hochreifem Lesegut, sehr aromatisch, etwas Honig und viel gelbe Früchte. Am Gaumen voller Leben, druckvoll, viel Jod und Salz, dazu gelbe Früchte, Papaya, Kaki sowie eine genussvolle Länge.

18/20 trinken –2023

2005 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Präsente, tiefe und komplexe Nase. In einem vom Kalk geprägten Korsett steckt die Frucht und versucht auszubrechen. Weiße Pfirsich, frische Äpfel und Birnen und weiße Johannisbeeren. Am Gaumen ein Mix aus frischen Früchten und vegetabilen Noten: Weinbergpfirsiche, Renekloden und Grapefruit einerseits und Eindrücke von Kaiserschoten und Süßmais andererseits. Viel kräuterwürzige Mineralik im Hintergrund, hat Zug und Grip, nachhaltig. Jetzt mit viel Genuss zu trinken.

18/20 trinken –2020

2004 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Wirklich großer Wein aus eher kühlem Jahr! Glockenklare und abgrundtiefe Nase; wirkt noch unglaublich jung, kühle, tabakige Kräutrigkeit, komplexes und filigranes Spiel, dabei äußerst präzise und nervig. Am Gaumen vibrierende Frische und Klarheit; kühl, ätherisch, ein filigranes Fruchtspiel, viele Kräuter, Waldwiese, frische Ananas, Citruszesten; grandioser Säurebogen. Streng, unglaublich tiefgründig, intellektuell und diszipliniert einerseits, fili-gran, virtuos und von reiner Schönheit andererseits. Fester, langer Nachhall – mit Echo. Elektrisierender Riesling! Hat noch ein langes Leben vor sich.

20/20 2014–2028

2003 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Kräftiger, saftiger G-Max mit ein paar Rundungen. In der Aromatik exotische Noten von Mangos, Kokosmilch, reifen Nektarinen, Quitten, Orangenzesten oder gelben Blüten. Am Gaumen für den Jahrgang unerwartet strukturiert und kompakt, immer noch sehr frisch und voller Energie. Selbst in diesem Hitzejahrgang haben die alten Rebstöcke viel Kraft und Mineralität aus dem Kalksteinboden gezogen, sodass der G-Max auch im 2003er Jahrgang Spiel und Mineralität zeigt. Die Säure ist wunderbar und unterstreicht, dass auch trockene 2003er Rieslinge nach zehn Jahren noch hervorragend schmecken können.

18/20 trinken –2023

2002 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Leider leichte Beeinflussung vom Kork. Dennoch ist das große Potenzial dieses Jahrgangs zu erkennen. Kraft, Druck und Struktur.

ohne Wertung

2001 Riesling G-Max, Weingut Keller:

Erstaunlich jugendliche, tiefe und sehr klare Nase, Äpfel, junge Ananas, Mandarinen, auch vegetabile Anklänge von Zitronenverbene, Kamille, Minze und Melisse; leicht rauchig. Am Gaumen pikante, rassige Säure, sehr klar und fordernd; mit viel Zug und steiniger Mineralität. Immer noch sehr fest, aber mit Spiel und schöner Länge. Sehr animierend.

18/20 trinken –2020

 

Michael Quentel und Klaus-Peter Keller
Gastautor Michael Quentel und Klaus-Peter Keller

 

1 KOMMENTAR

  1. Großartige Idee! Was hätte ich gezahlt, um dabei zu sein! Sicherlich einer der faszinierendsten Weine überhaupt. Hat alles was ein großer Wein braucht! Ich bete jeden Tag, dass ich ein paar Flaschen vom 2012er G-Max bekomme…

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.