Karneval mit zu viel Alkohol?
Im Jahre 2006 erlebte ein Weingut aus Down Under einen wahrlichen Raketenstart in Sachen Bekanntheit und Aufmerksamkeit: Mollydooker aus dem McLaren Vale. Alle Weine aus dem Jahrgang 2005 erhielten von Robert Parker seinerzeit deutlich über 90 Punkte – wohlgemerkt erst der zweite Jahrgang des Gutes überhaupt. Höchstdekoriert wurde der „Carnival of Love“ mit vollmundigen 99 Punkten. Parker beschrieb den Wein als „wollüstig wie Pamela Anderson“. Als ich mir den Wein aus Neugier Anfang 2007 zulegte, war es für mich die typisch australische „Fruchtbombe mit Nachbrenner“.
Nun war es an der Zeit, den Wein mit etwas Abstand nochmals zu probieren.
Mollydooker bezeichnet in Australien einen Linkshänder. Für das Weingut ein mehr als passender Name, denn die Eigentümer sind die Eheleute und Linkshänder Sarah und Sparky Marquis.
Der „Carnival of Love“ war seinerzeit der Top-Wein von Mollydooker und er besteht zu 100% aus dem besten Shiraz des Weingutes.
Nun bleibt Australien natürlich Australien. Es ist warm dort, sogar sehr warm. Ja, häufig sogar heiß. Trauben mögen das sehr und werden unter diesen Bedingungen sehr reif, ich möchte sagen ultrareif. Und dadurch natürlich zuckersüß.
Sofern man nun einen trockenen Wein produzieren möchte, muss der Zucker weg. Dafür gibt es bei jedem Vinifizierungsprozess die alkoholische Gärung. Sprich: Durch Hefe ausgelöst wird Zucker in Alkohol umgewandelt.
Beim „Carnival of Love“ bedeutete die enorme Reife des Ausgangsmaterials, dass man es nach Umwandlung des Zuckers mit einem Alkoholgehalt von 17 Vol. % zu tun bekam. Holla!
Eines vorab geschickt: Ich bin keiner dieser Nörgler, die sich ganz generell über den steigenden Alkoholgehalt von Weinen beschwert. Solange der Alkohol gut eingebunden ist – sich also in der Wahrnehmung nicht in den Vordergrund spielt – habe ich damit überhaupt kein Problem. Z.B. hatte ich schon einen kalifornischen Chardonnay mit 15 Vol. % im Glas, der sich herrlich präsentierte und ich ohne Studium des Etiketts keinen Verdacht bzgl. eines hohen Alkoholgehalts geschöpft hätte.
So war ich auch beim „Carnival of Love“ völlig tiefenentspannt. Meine Erwartungshaltung war die Begegnung mit einem sehr fruchtbetonten Wein, der aber auch ein gewisses Maß an Balance und Eleganz aufweisen müsse. Vermeintliche 99 Punkte müssen ja irgendwo herkommen. Zudem hatte der Wein ja nun knapp acht Jahre auf dem Buckel.
Nun, die Frucht ist bei dem Wein in der Tat intensiv. Der Duft nach Heidelbeerkonfitüre betört die Sinne mit der Kraft eines Dampfhammers. Auch wenn dieses Aroma recht eintönig, also wenig komplex ist, wird es jeden Weinliebhaber nachhaltig beeindrucken.
Am Gaumen präsentiert sich der Wein ultrafett und megafruchtig. Ja, diese Superlative müssen sein, sie sind für die Beschreibung eines solchen Weines überhaupt erst erfunden worden.
Doch dann der Abgang: Aua, der brennt oder wie die Amis sagen würden „just too much heat“. So wird das fruchtbetonte Spektakel an Nase und Gaumen wortwörtlich zu einem Feuerwerk im Abgang.
Wäre der Alkohol nur halbwegs eingebunden, hätte es der Wein zu Begeisterungsstürmen meinerseits gebracht, doch so überwog die Enttäuschung, leider.
Natürlich stellt sich sofort die Frage, die mittlerweile provisorisch zum Einsatz kommt, wenn ein vermeintlich großer Wein Schwächen aufweist: „Vielleicht ist er noch zu jung?“.
Aus meiner Erfahrung heraus muss ich diese Frage mit einem Nein beantworten. Und zwar nicht nur in Bezug auf den „Carnival of Love“, sondern in Bezug auf alle Weine, die von Anfang an durch einen deutlichen Alkoholeindruck geprägt sind. Dieser wird auch nach längerer Lagerung nicht abnehmen.
Im Gegenteil: Wenn sich Tannine und Frucht über die Jahre etwas „abschleifen“ und an Eleganz gewinnen, wird der Alkohol diese Harmonie noch dominanter überlagern. D.h. diese Wein werden – abhängig von ihrer Güte – auch noch in 10 Jahren trinkbar sein, doch wird sich die Wahrnehmung des Alkohols nicht signifikant ins Positive verschieben.
Solche Weine werden natürlich trotzdem getrunken. Und wenn man eher in Kategorien eines Portweines denkt, stört auch der Alkohol nicht mehr. Insbesondere wenn man dazu Käse serviert, verleiht man seinem Rachen das passende Rüstzeug für den hochprozentigen Angriff.
Aber nochmals zurück zu Mollydooker. Seit dem Jahrgang 2006 gibt es einen Wein, der sogar noch über dem „Carnival of Love“ angesiedelt ist: Den „Velvet Glove“. Der Name des Weines spielt auf die englische Redewendung „an iron fist in a velvet glove“ an („eine eiserne Faust im Samthandschuh“) und soll die von mir so stark vermisste Eleganz und Samtheit auf eindrucksvolle Weise liefern.
Auch diesen Wein habe ich im Keller und werde zu gegebener Zeit berichten, ob sich hier Frucht und Alkohol auf eine harmonische Basis eingependelt haben. Denn eines ist sicher: Elegante Weine auf Weltklasseniveau findet man auch in Australien. Dies beweist nicht zuletzt der „Grange“ von Penfolds immer wieder aufs Neue.
Lieber Weinlakai, danke für deinen Bericht, obwohl ich das Trink-Ergebnis im eigenen Interesse sehr frustrierend finde. Ich habe auch noch eine Flasche Carnival of Love (2005). Wie viel Zeit würdest du verstreichen lassen, um diesen Wein noch einmal zu probieren? Lieber früher als später? …ich frage mich, was Herr Parker da wohl im Glas hatte, dass er ihm 99 Punkte verlieh…
Wie lange hast du ihn vorher geöffnet? Hast du ihn dekantiert? Ein Schlückchen für den nächsten Tag aufgehoben?
…die Falsche ist jedenfalls sehr schön (99Punkte)
Also, wie Bob Paker zu seinen 99 Punkten kam, kann ich nicht sagen, aber bei meinem Besuch auf dem Weingut im letzten Jahr kann ich sagen, dass man viele neue, spannende Wege geht, an allen Ecken optimiert und experimentiert. Zwar gibt es das Weingut erst seine 2005, aber beide Eheleute haben sich beim Weinaustudium kennengelernt und waren an einigen Stationen als flying winemaker tätig, bevor Papa das Hotel verkauft hat und so das eigene Weingut ermöglicht hat. Einen Typ haben wir von Mollydooker sen. gelernt: da selbst velvet glove ( Etikett aus Samt, perfektes Marketing) mit Schraubverschluss und unter viel Stickstoff abgefüllt wird, Flasche auf den Kopf stellen, schütteln, dann wieder drehen und Öffner, sodass der Stickstoff sich im Wein löst und der Wein besser atmet. Aber normales, längeres dekantieren dürfte es auch tun.
Gruß Michael
P.S. Ich finde die Weine toll, es sind perfekte!! Konsumentenweine, die viele, viele Punkte rechtfertigen, aber sie berühren mich nur bedingt.
Hallo zusammen,
zuerst einmal vielen Dank für den Beitrag. Aus meiner bisherigen Erfahrung mit australischen Weinen hätte ich gesagt, habs ja gewusst. Gestern nun durfte ich einen CoL trinken. Ich muss aber erwähnen, dass ich den 2010 getrunken habe und dieser einen Alc. von 15.5% aufweist. Um es vorweg zu nehmen – ich hätte diesen Wein nicht nach Australien, sondern eher nach Süditalien oder Portugal eingeordnet. Ich war absolut überrascht, das dieser Wein nicht „überkocht“ war. Er besitzt natürlich immmer noch das „big and bold“, aber trotzdem eine wunderbare Frucht, welche im Abgang zulegt. Da wir ihn mit dem Sohn vom Hersteller getrunken haben, konnten wir allerlei interessantes erfahren – z.B. was ein „stealthy cork“ ist, oder wie Mollydooker versucht fruchtigere Weine zu bekommen. Ersteres ist wenn man die Flasche öffnet und spürbar nichts merkt, er aber auf Grund biochemischer Prozesse verändert ist (und somit nur der Weinmacher selber den Unterschied merkt, da er weiss wie sein Wein sein sollte). Letzeres wird durch ein ausgeklügeltes Bewässern erreicht, damit der Zuckergehalt nicht zu schnell steigt.
Ich habe natürlich keinen 2006/2005 probiert (welche mit 99PP bewertet wurden), sondern nur den 2010 (95PP), muss aber sagen, dass dies ein phantastischer Wein ist. Aber eines ist gewiss, es sind schwere Weine und sie werden nie wie ein Unico oder ein Ornellaia sein. Ich für meinen Teil hatte bisher überhaupt keinen Zugang zu diesem Typ Wein (habe mich auch eher despiktierlich dazu geäussert), muss mich aber jetzt revidieren und gebe zu „very very well done“.
Gruss Toni