Enzo Pontoni und das Weingut Miani
Ja, das Weingebiet Friaul-Julisch Venetien (kurz Friaul) findet touristisch viel zu wenig Beachtung. Und sicher, es gibt viele tolle Weißweine, insbesondere der Rebsorten Friulano und Ribolla. Und auch viele der aus Refosco gewonnenen Roten sind beachtlich. Probieren Sie mal etwas aus der Gegend. Bitte. Und fahren Sie auch einmal hin. Es ist wirklich eine wunderschöne Gegend mit ganz eigenem kulinarischem Stil. Geschichtlich gibt es hier auch einiges zu entdecken: Der Einfluss Österreich-Ungarns, die Nähe zu Slowenien, alles sehr interessant, versprochen! Aber bitte, davon möchte ich jetzt nicht berichten!
Ich möchte stattdessen über eine Begegnung sprechen, die mich zunächst verwirrt und letztendlich fasziniert hat: Das Treffen mit «Mr. Eigenbrötler himself», dem endlos bescheidenen und dabei äußerst charismatischen Enzo Pontoni (54) in seinem Weingut «Miani» in Buttrio.
Mit einer Jahresproduktion von nur 8 000–10 000 Flaschen pro Jahrgang ist Miani ein Zwergenbetrieb in der DOC Colli Orientali del Friuli. Sie ist mit ihren 2 300 Hektar – nach Collio Goriziano – die zweitgrößte DOC im Friaul.
Bereits vor meinem Besuch bei Miani zeigten sich andere Weingutsbesitzer der Region überrascht, dass ich dort einen Termin vereinbaren konnte. Enzo sei doch ein sehr eigenwilliger und menschenscheuer Kauz. Er sei ein Landwirt, der einfach nur Zeit im Weinberg verbringen möchte und sich mit Besuchern eher unwohl fühlt. «Was soll ich denen denn zeigen?», fragte er einmal die Besitzerin eines benachbarten Weingutes, als sie einen Besuch von interessierten Weinreisenden zu vermitteln versuchte.
Für mich passten diese Berichte sehr wenig zu dem, was ich über die Weine bereits wusste: Pontoni produziert seit 15 Jahren ultrarare Rot- und Weißweine, die zu den besten Italiens gehören und im Falle des Spitzenweins «Calvari» Preise von über 300 Euro pro Flasche erzielen. Und auch für die günstigen Varianten wird immerhin ein Zehntel dieser Preise, ca. 30 Euro pro Flasche, aufgerufen. Erzeuger mit diesem «track record» haben sich normalerweise schon schmucke Weingüter mit modernsten Kellern gebaut und eine professionelle PR-Arbeit aufgesetzt. So stieg zwar meine Konfusion, aber auch meine Neugier auf den Besuch.
Als ich an der mir genannten Adresse ankam, dachte ich zunächst, ich wäre falsch: Ein kleiner, menschenleerer Hof mit baufälligem Haus und einem kleinen Schuppen. Kein augenfälliger Hinweis auf ein Weingut. Ein junger Mann kam rumpelnd um die Ecke gefahren und begrüßte mich mit «Looking Enzo?». Ich bejahte und er bat mich in sein verbeultes Auto.
Die Englischkenntnisse des Weingutmitarbeiters waren so gut wie meine Italienischkenntnisse – nämlich auf ca. fünf Vokabeln beschränkt – und so verständigten wir uns mit Händen und Füssen. In den Weinbergen zeigte er mir die unterschiedlichen Parzellen und Rebsorten. Dabei wurde schnell klar, dass Enzo Pontoni das Thema «Selektion» auf die Spitze treibt: Die bis zu 100 Jahre alten Reben trugen meist nicht mehr als drei Trauben.
Plötzlich sagte der Mann irgendetwas wie: «Enzo. Blue tractor». Und so verfolgten wir eine Zeit lang den Ausnahmewinzer auf seiner Geier-Raupe, bis er uns schließlich bemerkte, ratternd zum Stehen kam und mich, nun ja, zur Kenntnis nahm. Er begegnete mir nicht unfreundlich, doch auffallend gleichgültig. Danach tauschten die Männer irgendwelche Informationen aus, ich stieg wieder in das kleine Auto und Enzo setzte sich mit seiner Raupe erneut in Bewegung. Das war sie dann wohl, meine Begegnung mit Enzo Pontoni.
Zurück auf dem Hof zeigte mir der Mitarbeiter dann noch den «Weinkeller» und das Fasslager.
Oh, und dann stieß doch Enzo nochmals zu uns und es passierte etwas, was ich schon gar nicht mehr erwartet hatte: Er fragte mich, ob ich ein paar seiner Weine verkosten möchte. Natürlich! Ab in den Verkostungsraum. Aber Stopp. Zurück in die Realität und weg von dem mir bereits eingebrannten Schema von Weingütern mit adretten Tasting Rooms, modernen Kellereianlagen und Pressetermin-erfahrenen Weingutsbesitzern.
Also stattdessen lieber in die im 70er-Jahre-Schick gekachelte Küche von Mama Pontoni. Herrlich. Hier kamen wir dann auch etwas intensiver ins Gespräch, und die gebündelten Sprachkenntnisse reichten aus, um die wirklich wichtigen Dinge zu verstehen.
Enzo Pontonis Umgang mit seinem Erfolg ist faszinierend. Er ist ihm nämlich völlig egal. Ihn macht es froh, sich morgens um sechs auf seine Raupe zu setzen und sich um seine Weinberge zu kümmern. Dass er seinen Wein für so viel Geld verkaufen «muss», quittiert er nur mit einem Kopfschütteln: «Was soll ich machen?»
Bei aller Bäuerlichkeit sind seine Vinifizierungsmethoden aber durchaus modern. So ist der Gärungspozess stets temperaturkontrolliert – wenn auch nicht durch computergesteuerte Stahltanks, sondern durch ein mit CO2 gekühltes Eisen, das er in den Wein taucht. Es muss ja alles ins Gesamtbild passen.
Auch sein genereller Ansatz bei der Herstellung der einzelnen Weine ist interessant. Unabhängig von der Rebsorte vinifiziert er alle Rotweine identisch: Sie kommen nach vier Wochen Maischestandzeit (Mazeration) für zwei Jahre in neue Barriques – zum Teil in zweiter Nutzung.
Und auch bei den Weißweinen geht er nach diesem Gleichheitsprinzip vor: Alle Weine kommen in französisches Holz, davon 40 % neu. Nur der Chardonnay geht außerdem durch die Malo(laktische Gärung).
So betrachtet Enzo Pontoni seine Weine nicht individuell und stellt sich nicht die Frage: «Wie kann ich diesen speziellen Wein so gut wie möglich machen?» Er möchte die Weine gleich behandeln, um die Rebsorte, den Boden, die spezifische Lage und das Wetter des Jahrgangs für die Weine sprechen zu lassen. Mit dem Ziel, dass der unterschiedliche Charakter der Weine so wenig wie möglich durch seine Hand beeinflusst wird.
Trotzdem überlässt er natürlich nichts dem Zufall. Seine Arbeit im Weinberg ist akribisch. Er könnte sicher die doppelte Menge Wein produzieren und immer noch eine hohe Qualität wahren. Aber nein, jede nur ansatzweise suboptimal entwickelte Biomasse am Rebstock muss weg, wird zum Dünger degradiert.
Und so sagte er dann abschließend doch noch etwas, was nach einem Winzer mit Star-Appeal klang und seinen Qualitätsanspruch eindrucksvoll auf den Punkt bringt: «My label is my face»
Als Enzos Mama dann die Weine zwischen Wurst und Käse aus dem Kühlschrank heraussuchte und ich die ersten Schlucke verkostete, wurde auf Anhieb klar, dass sich all die Mühe lohnt.
Sowohl der Einsatz der angestammten Rebsorten (Friulano, Refosco) als auch die Verwendung von internationalen Sorten wie Sauvignon Blanc und Merlot lassen Weine auf Weltklasseniveau entstehen, die so manchen italienischen «Kultwein» erschreckend alt aussehen lassen.
2010 Miani Bianco (29,90 EUR): Friulano, Malvasia und Ribolla.
Holz ist zwar präsent an derNase, aber es überwiegen frische Noten von Pfirsichen, Äpfeln und Birnen. Der Abgang ist von exzellenter Säure gekennzeichnet, wenn auch nicht sonderlich komplex oder lang. Obwohl nur der Einstiegswein, lässt er sich bestimmt noch 3–4 Jahre trinken.
16/20 trinken –2017
2010 Miani Buri (55,- EUR): Friulano.
Aromatisch ähnlich dem Bianco, aber deutlich feiner im Aroma mit Noten von weißen Blumen. Am Gaumen mehr Kraft und schöne Balance. Mit steigendem Luftkontakt sowohl an der Nase als auch am Gaumen eine wunderschöne Komplexität. Trotzdem noch sehr jugendlich.
17+/20 trinken –2020
2010 Miani Filip (55,- EUR): Friulano.
Eine Steigerung in Sachen Körper, aber nicht so fein und komplex wie der Buri. Wunderschöne Noten von Zitronenmelisse, Melone und wieder ein deutlicher, aber nicht störender Holzeinfluss, der über die Jahre sicher abnimmt.
17/20 trinken –2018
2010 Miani Saurint (59,- EUR): Sauvignon Blanc.
Wahrscheinlich der beste Sauvignon, den ich bisher verkostet habe. Aromatisch typisch, doch von einer Präzision und Klarheit, die einem die Sprache verschlägt. Eine tolle Mineralität im seidenweichen und dennoch langen Abgang mit perfekter Frische. Und das Beste: Der Wein wird über die nächsten Jahre mit Sicherheit noch besser. Locker noch zehn Jahre zu lagern.
18+/20 trinken –2020
2009 Miani Rosso (59,- EUR): Merlot und Refosco.
Hier kommen 85 % Merlot und 15 % des Refosco zum Einsatz, der in guten Jahren in den Calvari wandert. Der Wein zeigt bereits an der Nase eine tolle Tiefe und Komplexität. Aromen von Kirschen, Lakritz und Bleistiftmine bestimmen das Bild. Sehr lang und anhaltend im Abgang mit moderaten und bereits wunderschön eingebundenen Tanninen. Selbst für diesen Preis ein echte Empfehlung wert – unglaublich, dass es sich hierbei um den Einstiegs-Rotwein handelt.
18/20 trinken –2022
Importeur Deutschland: Steines KG „La Cave“, www.steines-weine.de
Hallo und guten Tag,
hier haben Sie das minus in der Adresse vergessen.
Was auch ganz schade ist, was kosten denn die Weine. Es ist schon sehr umständlich erst einmal ein Abfrage zu starten, denn der Händler hat keine Preise hinterlegt, oder ich übersehe da etwas.
Schöner Gruß, frohes Fest und ein gesundes neues Jahr
Werner
@ Werner
Danke für die Anmerkungen! Link ist korrigiert und Weinpreise habe ich hinzugefügt.
Cheers,
Der Lakai